
neues mobiles Bürgerbüro
„Optimistisch für Kommunalwahl“Interview: Ein Büro mit festen Öffnungs- und Sprechzeiten – das war lange der Standard. SPD-Landtagsabgeordneter Martin Haller erledigt seine Wahlkreisarbeit jetzt mobil in einem eigens dafür gebauten Fahrzeug. Mit Jörg Schmihing hat er über Bürgernähe, Zuwanderung und prägende Erlebnisse als Ausschussvorsitzender gesprochen.Herr Haller, wir unterhalten uns in Ihrem neuen mobilen Bürgerbüro. Warum haben Sie sich entschieden, keine klassische feste Anlaufstelle mehr im Wahlkreis zu betreiben?Über die Jahre verändern sich Dinge – beispielsweise die Wege, wie Leute Kontakt mit mir als Abgeordnetem aufnehmen. Da hat sich ein Wechsel vollzogen vom Brief über E-Mail zu Social Media. Das betrifft genauso den persönlichen Kontakt: Kommen die Leute noch zu einem Büro mit festen Sprechzeiten? Ich nehme wahr, dass die Bürger es schätzen, wenn man zu ihnen kommt. Deshalb ist der Gedanke entstanden, etwas Neues auszuprobieren – etwas, das sonst noch niemand macht. Die Erfahrungen, die wir bis jetzt mit der mobilen Variante gesammelt haben, sind positiv.Wie sind Sie zu dem Fahrzeug gekommen? So etwas gibt es ja bestimmt nicht serienmäßig …Das war ein längerer Prozess. Was zum einen damit zusammenhängt, dass wir das Fahrzeug tatsächlich individuell bauen lassen mussten. Zum anderen haben verschiedene Dinge, bedingt unter anderem durch die Corona-Pandemie, sehr viel länger gedauert als geplant. Der Tisch zum Beispiel, an dem wir sitzen, wurde zuerst falsch herum geliefert. Bis schließlich die richtige Variante kam, hat es zehn Wochen gedauert. Umso schöner ist es, dass mein mobiles Bürgerbüro jetzt fertig ist und es losgehen kann. Die Beobachtung, die sie dazu veranlasst hat, ihre Wahlkreisarbeit zu verändern, betrifft meinem Empfinden nach Politik ganz allgemein. Sie muss im wahrsten Wortsinn wieder näher zu den Menschen.Das sehe ich genauso. Ich bin viel unterwegs und dort, wo die Leute sind. Man muss mit Formaten auf Bürger zukommen, bei denen es wirklich um Politik geht. Eine Veranstaltung, die wir planen, heißt „Bund, Land, Kommune“. Das Prinzip: Alle sind vor Ort, keiner duckt sich weg, keiner schiebt’s auf den anderen. Ich will mit dem Bundestagsabgeordneten Christian Schreider und den jeweils lokal Verantwortlichen anbieten, dass Menschen mit ihren Anliegen zu uns kommen können und wir versuchen, Lösungen für Probleme zu finden. Viele haben das Gefühl, es bewegt sich nichts oder es dauert zu lange. Mir kommt es so vor, dass Politik die Leute erst interessiert, wenn Themen sie betreffen: höhere Gebühren oder die Asylunterkunft vor der Haustür. Was auf Landes- und Bundesebene passiert, ist ungleich schwerer zu erklären. Wie kann das gelingen?Man muss sich als Politiker für Themen richtig Zeit nehmen. Möglich ist das mit einem Konzept, das ich schon seit einigen Jahren nutze: das Format „Mit Haller durch die Region“. Es dient dazu zu schauen: Was ist denn passiert in den Kommunen des Wahlkreises? Das soll keine Wohlfühl-Veranstaltung werden. Wir fahren mit einem Reisebus dorthin, wo Dinge gut geklappt haben, aber eben auch zu Beispielen, wo das nicht so ist. Das sind sehr häufig Vorhaben oder Entwicklungen, bei denen sich Bundes- und Landespolitik auf unser aller Leben in unserer Heimat auswirken. Zeitlich liegen wir auf halber Strecke zwischen der OB-Wahl in Frankenthal und der Kommunalwahl 2024. Wo steht die SPD in der Region?Ich muss da differenzieren zwischen Umland und Stadt Frankenthal. Die OB-Wahl war eine sehr spezielle. Das zeigen die Umfragen, die Sie in der RHEINPFALZ veröffentlicht haben, und das zeigt letztlich das Ergebnis. Und natürlich ist dieses Ergebnis eine Herausforderung für die Frankenthaler SPD, die ich aber als sehr geschlossen wahrnehme – und als sehr motiviert. Insofern bin ich optimistisch, was die Kommunalwahl angeht. Hier im Umland stellen wir starke Bürgermeister und Ortsbürgermeister. Das sind Macher, Anpacker und Mitnehmer. Ich mache mir überhaupt keine Sorgen mit Blick auf den Wahltermin im Juni. Tatsächlich funktioniert in dieser kommunalen Familie noch vieles, was woanders längst verloren gegangen ist. Hier gibt es nach meinem Empfinden keine Feindschaften, sondern ein starkes Miteinander. Alle, die Kommunalpolitik machen, wollen das Beste für ihren Ort. Deswegen macht das richtig viel Spaß. Und das wiederum drückt sich darin aus, dass immer wieder Leute auf den Listen stehen, die gar kein Parteibuch haben. Es gibt Themen, die vom Bund stark ins Lokale ausstrahlen – etwa die Migrationspolitik. Möglicherweise steht bald wieder die Frage der Nutzung von Sporthallen als Unterkünfte im Raum. Gibt es eine Alternative zur Begrenzung der Zuwanderung?Wir sind mittlerweile an einem Punkt angelangt, an dem Politik alles noch einmal auf den Prüfstand stellen muss. Wir leben nicht in einer Region, in der Leute über Geflüchteten sagen: Was wollen die denn hier? Aber: Es muss alles leistbar sein und funktionieren. Das betrifft insbesondere Vereine, die auf eine Hallennutzung für ihr Vereinsleben angewiesen sind, und damit Menschen, die unser Gemeinwesen tragen und prägen und viel zur Integration beitragen. Wenn es diese Vereine nicht mehr gibt, weil eine Halle wieder belegt ist und vorher Corona schon für Probleme gesorgt hat, dann kriegen wir das gesellschaftlich nicht mehr hin. Wir müssen also auch darüber reden, wie wir falsche Anreize reduzieren können, wegen denen Menschen hierher kommen. Das passiert auf Bundesebene gerade.
Der Umgang mit einer größeren Anzahl von Asylbewerbern ist das eine. Aber wie sieht’s mit deren Integration aus?Integration funktioniert meiner Ansicht nach über Arbeit am besten. Da gibt es tolle Beispiele, aber das funktioniert auch in Rheinland-Pfalz unterschiedlich gut. Um die Verteilung derjenigen zwischen Stadt und Land besser zu steuern, deren Aufenthaltsstatus schon geklärt ist, wäre vielleicht eine Art Residenzpflicht sinnvoll. Da sind viele, viele Stellschrauben. Es geht in allererster Linie darum, dass wir die gesellschaftliche Akzeptanz nicht verlieren. Ich warne vor allem davor, dass jeder, der sich Gedanken über das Thema macht, in eine Ecke gestellt wird, mit der er nichts zu tun hat. ZUR PERSON Martin Haller ist ab 1990 in Lambsheim als Pfarrerssohn aufgewachsen, ging in Frankenthal zur Schule und hat an der Fernuniversität Hagen Politik- und Verwaltungswissenschaften studiert. Er gehört seit 1999 der SPD an, die er in Kommunalparlamenten vertrat und vertritt. 2006 wurde er Mitglied des rheinland-pfälzischen Landtags. Seit Mai 2016 ist er Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion. Der 40-Jährige wohnt mit Ehefrau und der Tochter in Lambsheim. In seiner Freizeit musiziert Haller im dortigen Gesang- und Musikverein und lebt seine Passion für den 1. FC Kaiserslautern aus. Haller ist außerdem Landesvorsitzender des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge. |
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